Zum Hauptinhalt springen

Depression: PZN 17865862

Angst: PZN 18726714

7. August 2025

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Warum wir jetzt besonders hinschauen müssen

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist auch Jahre nach der Corona-Pandemie noch deutlich schlechter als vor der Pandemie.

– Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf1

Zahlreiche Krisen wirken heute parallel auf junge Menschen ein: Pandemiefolgen, globale Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheiten sowie der Klimawandel. Die seelische Gesundheit vieler Kinder und Jugendlicher ist dadurch stark gefährdet.

In diesem Blogartikel erfahren Sie, wie die aktuelle Situation einzuschätzen ist, welche Ursachen psychische Belastungen bei jungen Menschen haben, warum Kinder und Jugendliche besonders verletzlich sind – und welche Unterstützung jetzt wichtig ist.

Aktuelle Zahlen und Fakten

Die COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt, dass Kinder und Jugendliche zunehmend psychisch belastet sind. Über mehrere Jahre hinweg wurden 2.865 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 22 Jahren bundesweit befragt. Die Ergebnisse: 21 % der jungen Menschen berichten von einer anhaltend verringerten Lebensqualität, 22 % zeigen psychische Auffälligkeiten.2

Auch die bundesweiten Zahlen der stationär behandelten Kinder und Jugendlichen bestätigen dies: Während bei Erwachsenen ab 18 Jahren psychische Erkrankungen für 6 % aller Krankenhausaufenthalte verantwortlich waren, lag dieser Anteil bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren bei 19 %. Dabei ist die Depression die häufigste psychische Erkrankung in dieser Altersgruppe. Aber auch Anpassungsstörungen, also belastete Reaktionen mit vermehrter Angst und depressiven Verstimmungen, die durch Krisen und schwere Lebensereignisse hervorgerufen werden können, sind Grund für die hohen Behandlungsfälle.3 Die alarmierenden Zahlen psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher führen zu der Frage, worin genau ihre besondere Vulnerabilität, also Verletzlichkeit, begründet ist.

Ursachen für psychische Belastungen: Was belastet Kinder & Jugendliche heute besonders?

Nachwirkungen der Corona-Pandemie

„Um gesund aufwachsen zu können, brauchen Kinder sichere, ansprechende und leicht erreichbare Räume, in denen die Rahmenbedingungen gesunde Entscheidungen, unabhängig von sozialen Unterschieden, ermöglichen“, so die österreichische Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie, welche das Themenfeld Lebensraum bewusst neu aufgenommen hat.4

Die Folgen der durch die Corona-Pandemie erfolgten Lebensraum-Einschnitte untermauern die Bedeutung von Freizeit-, Bewegungs- und Begegnungsräumen für die Kinder- und Jugendlichengesundheit. So kann beispielsweise die mit der Corona-Pandemie zu verzeichnende Zunahme von Adipositas auf die starken Einschränkungen der zur Verfügung stehenden Bewegungsräume zurückgeführt werden.5 Damit nicht genug, so war der Wegfall sozialer Kontakte außerhalb der digitalen Räume ein weiterer wesentlicher Belastungsfaktor, der sich heute noch in den gestiegenen psychischen Erkrankungszahlen widerspiegelt.6

Soziale Ungleichheit und Armut

Wachsende soziale Ungleichheit führt zu mehr Armut in Familien – mit direkten Folgen für die Gesundheit von Kindern. Einerseits wirkt sich der erschwerte Zugang zu gesunder und abwechslungsreicher Nahrung direkt auf die körperliche Gesundheit aus. Hinzu kommen die emotional-sozialen Belastungen sowie die eingeschränkten Zugänge zu entwicklungsstärkenden Ressourcen in Ermangelung ausreichender finanzieller Mittel.7

Digitale Medien & Cybermobbing

Die verstärkte Nutzung sozialer Medien im jungen Alter stellt einen weiteren Risikofaktor dar. Wenngleich die Digitalisierung auch Vorteile hat, wie etwa die soziale Unterstützung Gleichaltriger, birgt sie erhebliche psychische Risiken.8 Der Druck durch Likes, Vergleiche und permanente Verfügbarkeit kann schnell zu Überforderung führen. Cybermobbing ist ein wachsendes Problem. Laut HBSC-Studie 2022 waren 4,4 % der 11- bis 15-Jährigen in Deutschland davon betroffen – mit steigender Tendenz.9

Klima-Angst: Psychische Belastung durch den Klimawandel

Extremwettereignisse und klimabedingte Katastrophen stellen besondere Belastungen für die psychische Gesundheit dar, was einen Teil der hohen Zahlen an Anpassungsstörungen und posttraumatischem Stress erklärt.10 Die sogenannte „Klima-Angst“ (engl.: „Climate Anxiety“11) beschreibt Sorgen und Ängste in Bezug auf die eigene Zukunft – mit wachsender Relevanz auch in Therapie und Beratung.

Warum sind Kinder und Jugendliche besonders verletzlich?

Doch warum sind diese äußeren Einflüsse bei Heranwachsenden deutlich schwerwiegender, wenn doch Erwachsene ebenso von den genannten Ereignissen betroffen sind? Dies hat im Wesentlichen mit dem besonderen Entwicklungszustand der Heranwachsenden zu tun. Auch wenn verschiedene Altersstufen ihre jeweiligen Besonderheiten aufweisen, spielt in jeder Entwicklungsphase ein stabiler Lebensraum eine zentrale Rolle für das psychische Gleichgewicht. Wenn das äußere Umfeld berechenbar ist, kann besser mit den vielfältigen inneren Veränderungen umgegangen werden. Die Zeit der Pubertät ist ein gut nachvollziehbares Beispiel. Die in dieser Zeit erfolgende Suche nach der eigenen Identität geht mit bedeutenden neurologischen und biologischen Veränderungen einher, die sowohl die hohe Risikobereitschaft und Suche nach sozialer Anbindung erklären wie auch die vielfältigen hormonellen Umstellungen.12 Wenn dann die Umwelt nicht nur plötzlich unberechenbar wird, sondern auch noch lebensbedrohlich, dann sind die auch weiterhin steigenden Zahlen psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nicht verwunderlich.13

Was hilft? Handlungsempfehlungen für Erwachsene, Eltern & Fachkräfte

Was folgt daraus für den Umgang mit belasteten Kindern und Jugendlichen? Grundsätzlich können wir die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um sensibler auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in diesen herausfordernden Zeiten des vielschichtigen Wandels einzugehen. Zum einen geht es um nachhaltige und innovative Veränderungen im Bildungs- und Gesundheitsweisen, sowie um die Erschaffung neuer Lebensräume, was initial von politischer Seite aus erwirkt werden muss.14 Zum anderen geht es darum, im Hier und Jetzt stabilisierende Strukturen zu schaffen und auf aktuelle Bedürfnisse und Verhaltensänderungen bei Kindern und Jugendlichen angemessen und zeitnah zu reagieren.

Sorgen ernst nehmen

Sich den Sorgen und Ängsten der Kinder und Jugendlichen anzunehmen, ihnen zuhören und sie nicht klein zu reden, ist ein wichtiger Schritt, um gestärkt und nicht geschwächt aus Krisenzeiten zu erwachsen. Dies ermöglicht die aktive Mitgestaltung der aktuellen Lage. So wird Selbstwirksamkeit erlebt, was sich wiederum positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirkt. Vielleicht kennen Sie das auch: sind Sie aktiv, gibt es eine positive Kraft, die Sie antreibt, mit Optimismus an einem Ziel zu arbeiten – und weniger Zeit, antriebslos zu verweilen.

Authentisch kommunizieren

Auch ist Authentizität gefordert, also nicht das Vorspielen falscher oder unechter Tatsachen, oft aus Erklärungsnot entstandene Behauptungen. Dies nehmen Kinder und Jugendliche wahr und sind dann zusätzlich verunsichert. Sprechen Sie also über Ihre Unsicherheiten und kommunizieren offen die eigene Unwissenheit in Bezug auf die belastende Lage. Wenn die Gefühle, Emotionen und Sorgengedanken Raum bekommen haben, können im nächsten Schritt dann Lösungen erarbeitet werden, und zwar gemeinsam.15

Professionelle Hilfe annehmen

Sind Sie unsicher oder besorgt über Verhaltensänderungen Ihres Kindes, beispielsweise da es sich mehr zurückzieht oder oft wütend ist, sollten Sie sich an eine geeignete Einrichtung oder Anlaufstelle wenden, die Tipps und Ideen für die nächsten Schritte sowie Möglichkeiten der psychologischen Beratung bieten. Gute erste Anlaufstellen sind:

  • Kinderärzt:innen
  • Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen für Kinder und Jugendliche bieten sowohl Beratung als auch Therapie an.
  • Familienberatungsstellen freier oder kirchlicher Träger (z. B. Caritas, Diakonie) sind gut vernetzt und können selbst auch geeignete Angebote für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern zur Verfügung stellen.
  • Telefonische Hilfsangebote bieten erste Entlastung durch ein unmittelbares Gespräch und können weitere Schritte aufweisen:
  • Für junge Erwachsene ab 18 Jahren kann eine Online-Therapie als niedrigschwelliges Angebot schnelle Hilfe bieten. Die Novego Online-Therapieprogramme bei Depression und Angst sind bei einer entsprechenden Diagnose kostenfrei auf Rezept erhältlich und können im gewohnten Umfeld und zeitlich flexibel bearbeitet werden: Hier erhalten Sie weitere Informationen.

Spezialisierte Angebote bei Klima-Angst

Handelt es sich gezielt um Zukunftsängste bedingt durch die politische Lage und die klimatischen Veränderungen, bieten die Psychologists / Psychotherapists for Future einfach zugängliche und kostenfreie Beratungen an. Ein Blick auf deren Website liefert eine Übersicht der verschiedenen Möglichkeiten. Auch werden in Städten zunehmend Klimacafés angeboten – frei zugängliche Räume zum Austausch in Bezug auf Ängste und Unsicherheiten, Fragen und Ideen. Dies kann im jeweiligen Stadtteil oder bei der Gemeinde angefragt werden.

Manchmal braucht es etwas Kraft und Geduld, bis die richtige Hilfe gefunden ist. Das kostet Nerven. Aber es ist wichtig und zahlt sich aus, dranzubleiben. Ganz sicher!

Fazit

Kinder und Jugendliche sind keine „kleinen Erwachsenen“. Sie reagieren sensibler auf Umbrüche, Unsicherheit und Krisen und brauchen Schutz, Stabilität und Entwicklungsräume – gerade in Zeiten globaler Unsicherheiten. Lösungen erfordern politisches Handeln, gesellschaftliches Engagement – und persönliche Zuwendung im Alltag.

Diesen Artikel teilen:

Quellennachweis

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). „Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie – Aktualisierung 2024“. 2024. https://broschuerenservice.sozialministerium.gv.at/Home/Download?publicationId=846&attachmentName=Kinder_und_Jugendgesundheitsstrategie.pdf.

Fischer, Saskia M. „Mobbing und Cybermobbing an Schulen in Deutschland: Ergebnisse der HBSC-Studie 2022 und Trends von 2009/10 bis 2022“. Robert Koch-Institut, 2024. https://doi.org/10.25646/11871.

Frahsa, Annika, Harvy Joy Liwanag, und Gia Thu Ly. „Faktenblatt 113 – Vulnerabilität in unterschiedlichen Lebensphasen – Gesundheitliche Chancengerechtigkeit in Gesundheitsförderung und Prävention fördern“. Gesundheitsförderung Schweiz, Januar 2025. https://gesundheitsfoerderung.ch/sites/default/files/2025-01/Faktenblatt_113_GFCH_2025-01_Vulnerabilitaet-unterschiedlichen-Lebensphasen.pdf.

Hickman, Caroline, Elizabeth Marks, Panu Pihkala, Susan Clayton, R Eric Lewandowski, Elouise E Mayall, Britt Wray, Catriona Mellor, und Lise van Susteren. „Climate Anxiety in Children and Young People and Their Beliefs about Government Responses to Climate Change: A Global Survey“. The Lancet Planetary Health 5, Nr. 12 (Dezember 2021): 863–73. https://doi.org/10.1016/s2542-5196(21)00278-3.

Kaman, Anne, Michael Erhart, Janine Devine, Ann-Kathrin Napp, Franziska Reiss, Steven Behn, und Ulrike Ravens-Sieberer. „Mental Health of Children and Adolescents in Times of Global Crises: Findings from the Longitudinal COPSY Study from 2020 to 2024“. Elsevier BV, 2024. https://doi.org/10.2139/ssrn.5043075.

Koletzko, Berthold, Maya Götz, Hildegard Debertin, und Heinz Michael Boeckler. Kindergesundheit: Ambivalenz des Medienkonsums. Deutsches Ärzteblatt Nr. 21 (2016): 268.

Loss, Julika, Miriam Blume, Laura Neuperdt, Nadine Flerlage, Tim Weihrauch, Kristin Manz, Roma Thamm, u. a. „Wie steht es um die Gesundheit von Mädchen und Jungen in der COVID-19-Pandemie? Ausgewählte Ergebnisse der KIDA-Studie“. Robert Koch-Institut, 14. Juni 2023. https://doi.org/10.25646/11299.

Loss, Julika, Heike Hölling, und Johannes Lemcke. „Neue Herausforderungen Und Handlungsfelder Der Kinder- Und Jugendgesundheit“. Public Health Forum 33, Nr. 2 (1. Juni 2025): 90–92. https://doi.org/10.1515/pubhef-2025-0001.

Proulx, Kerrie, Bernadette Daelmans, Valentina Baltag, und Prerna Banati. „Climate change impacts on child and adolescent health and well-being: A narrative review“. Journal of Global Health 14 (24. Mai 2024). https://doi.org/10.7189/jogh.14.04061.

Psychologists / Psychotherapists for Future e.V. „Mit Kindern über die Klimakrise reden“. o. J. https://www.psy4f.org/wp-content/uploads/2023/08/Mit-Kindern-ueber-die-Klimakrise-reden.pdf.

Robert Koch-Institut. „Psychische Gesundheit in Deutschland. Erkennen – Bewerten – Handeln. Schwerpunktbericht Teil 2 – Kinder- und Jugendalter“. 2022. https://doi.org/10.25646/9579.

Statistisches Bundesamt. „Psychische Erkrankungen waren 2021 die häufigste Ursache für Krankenhausbehandlungen von 10- bis 17-Jährigen“. Pressemitteilung Nr. N042 (13. Juli 2023) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/07/PD23_N042_231.html.

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch globale Krisen belastet“. Pressemitteilung vom 4. Dezember 2024. https://www.uke.de/allgemein/presse/pressemitteilungen/detailseite_160448.html.


Kostenfreie psychologische Soforthilfe auf Rezept

Unsere psychologischen Online-Therapieprogramme bei Depression und Angst sind als Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zertifiziert und somit kostenfrei auf Rezept für Sie erhältlich. Lassen Sie sich Novego einfach von Ihrem Arzt oder Psychotherapeuten verordnen und starten Sie ohne Wartezeit und ohne Kosten mit Ihrer Online-Therapie.

Gesetzliche Krankenkassen übernehmen 100% der Kosten
Einfache Verordnung per Rezept
Individuell, flexibel und nachgewiesen wirksam
Persönliche Begleitung & 24/7-Krisenhotline

Dies ist eine unabhängige Patienteninformation mit dem Ziel, unseren Nutzern bedarfsorientierte und qualitativ hochwertige Inhalte zu präsentieren, die auch ohne medizinisches Fachwissen verständlich sind. Es wird keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. In allen Belangen kann und sollte der behandelnde Arzt konsultiert werden. Diese Patienteninformation kann keine ärztliche Beratung, Diagnostik oder Therapie ersetzen.