Hilfe für Angehörige von Menschen mit einer psychischen Erkrankung
Wenn ein nahestehender Mensch psychisch erkrankt, stehen Angehörige oft vor großen Herausforderungen: Wie kann ich richtig helfen? Wie schütze ich mich selbst vor Überforderung? Und wo finde ich Unterstützung?
Auf dieser Seite bieten wir Ihnen Orientierung und geben Ihnen Tipps, mit denen Sie Betroffene und sich selbst im Alltag entlasten können.
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Die Tipps wurden von Psycholog:innen aus dem Novego-Team verfasst.
Akute Krisen & Notfälle
Hören Sie zu und nehmen Sie jede Äußerung über Suizid oder Selbstverletzung ernst. Versuchen Sie, ruhig zu bleiben, das Gespräch in Gang zu halten, und rufen Sie Notarzt (112) und/oder Polizei (110). Lassen Sie die Person nicht allein, bis Hilfe eintrifft, und beseitigen Sie gefährliche Gegenstände aus dem direkten Umfeld.
Bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung kann eine Einweisung ins Krankenhaus auch gegen den Willen der betroffenen Person nötig sein. Hierfür ist die Polizei zuständig, da Rettungsdienste ohne Zustimmung keine Zwangseinweisung durchführen dürfen.
Die Zwangseinweisung ist ein schwieriger, letzter Ausweg, wenn das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Person – oder anderer – gefährdet ist. Dann handelt es sich um einen Notfall. Am wenigsten eingreifend ist es für alle Beteiligten, wenn Angehörige oder Freunde den Betroffenen selbst in das zuständige psychiatrische Krankenhaus bringen. Auch wenn die Person starken Widerwillen zeigt, ist es das einzig Richtige, die Polizei zu verständigen. Letztlich geht es um einen lebensrettenden Schritt, den Sie hier gehen müssen.
Wichtige Warnsignale, die für eine akute Suizidalität sprechen können, sind:
- Verzweifelte Äußerungen (z. B. „Alles macht keinen Sinn mehr.“)
- Allgemein eine große Hoffnungslosigkeit
- Abschiednehmen von Freunden oder Angehörigen
- Unerwartetes bzw. auffälliges Regeln persönlicher Angelegenheiten, etwa das Aufsetzen eines Testaments
- Plötzliche Ruhe oder Gelassenheit nach einer Phase starker Verzweiflung – es kann der Fehschluss entstehen, dass es der betroffenen Person wieder besser geht.
Diese Anzeichen müssen nicht immer auf Suizidabsichten hinweisen, sollten aber ernst genommen und offen angesprochen werden.
Führen Sie ein ruhiges, einfühlsames Gespräch. Viele Menschen mit Suizidgedanken trauen sich nicht, das Thema von sich aus anzusprechen, aus Angst vor Ablehnung oder weil sie niemanden belasten wollen. Indem Sie das Thema von sich aus ansprechen, erleichtern Sie Ihrem Gegenüber, sich Ihnen anzuvertrauen. Nur so lässt sich die Situation realistisch einschätzen und gezielte Hilfe einleiten – zum Beispiel durch Kontakt zu Ärzten, Therapeuten oder Krisendiensten. Bei akuter Gefahr rufen Sie den Notarzt (112) oder die Polizei (110).
Wichtig: Auch wenn es Überwindung kostet, über Suizidgedanken zu sprechen – offenes Ansprechen kann Leben retten.
Ein Krisen- oder Notfallplan hilft, frühzeitig auf eine suizidale Krise zu reagieren und eine Verschärfung der Suizidgedanken/-absichten zu verhindern. Er legt klare Handlungsschritte fest, die in einer Krise Orientierung geben. Es hat sich bewährt, den Plan schriftlich festzuhalten – idealerweise von der betroffenen Person selbst und mit Unterschrift, um die Verbindlichkeit zu stärken.
Was sollte im Notfallplan stehen?
1. Mit welchem Ereignis wird dieser Plan aktiviert?
Notieren Sie, wann der Plan aktiviert wird, also welche Anzeichen auf eine Gefährdung hindeuten, z. B.:
- Zunehmende oder anhaltende Suizidgedanken
- Grübeln über konkrete Maßnahmen (länger als 5 Minuten)
- Steigerung in Selbsthass
2. Ressourcen und Selbsthilfestrategien sammeln
Erstellen Sie eine Liste von Dingen oder Unternehmungen, die der betroffenen Person guttun, sie entspannen oder ablenken, unabhängig von anderen Personen (Tag und Nacht). Zum Beispiel:
- Sich um das Haustier kümmern
- Kochen oder backen
- Kaltes Duschen oder Eiswürfel im Mund
- Musik hören (am besten ein bestimmtes Lied festlegen)
- Malen
- Spazierengehen
- Bedarfsmedikation nutzen
3. Vertrauenspersonen benennen
Wer tut gut in schwierigen Momenten und bietet Halt? In der Regel sind dies nur wenige Personen, was völlig in Ordnung ist.
Schreiben Sie mindestens zwei Personen mit Namen und Telefonnummer auf, für den Fall, dass eine nicht erreichbar ist. Fragen Sie vorher um Einverständnis, ob diese Personen im Notfall kontaktiert werden dürfen und wann ein Anruf in Ordnung wäre (auch spätabends oder frühmorgens).
4. Umgebung sicher gestalten
Halten Sie fest, wie Risiken in der Umgebung minimiert werden können, z. B.:
- Nur kleine Mengen an Medikamenten aufbewahren
- Gefährliche Gegenstände entfernen
- Rauschmittel vermeiden (Alkohol, Cannabis, andere Drogen)
- Belastende Orte oder Medien (Filme, Serien, etc.) meiden
5. Professionelle Anlaufstellen notieren
Schreiben Sie wichtige Notfallnummern und Kontaktstellen auf, etwa:
- Krisenhotline oder Telefonseelsorge
- Behandelnde Therapeutin oder behandelnder Therapeut, Hausärztin oder Hausarzt
- Psychiatrische Notfallambulanz oder nächstgelegenes Krankenhaus
6. Notfallkontakte übersichtlich zusammenstellen
Alle wichtigen Telefonnummern sollten zusätzlich im Handy gespeichert und gut sichtbar notiert werden, z. B.:
- Polizei (110)
- Rettungsdienst (112)
- Krisendienst
- Telefonseelsorge
- Kinder- und Jugendtelefon (bei Jugendlichen)
- Hausärztin/Hausarzt, Therapeutin/Therapeut
In Ergänzung kann es unter Punkt 3 hilfreich sein, Personen, ggf. auch Haustiere, zu sammeln, die der betroffenen Person wichtig sind bzw. die die betroffene Person vermissen würden, an ihr hängen oder sie einfach brauchen (z. B. Kinder). Dazu zählt mindestens die bei der Erstellung des Notfallplans unterstützende Person.
Eine Panikattacke kann sich sehr bedrohlich anfühlen.
Betroffene können von einem Gefühl der drohenden Ohnmacht oder davon, verrückt zu werden oder zu sterben, berichten. Hinzu kommen unterschiedliche körperliche Symptome, die es aufgrund der Vielfältigkeit schwer machen können, eine Panikattacke zu erkennen, z. B. starkes Herzklopfen oder -rasen, Engegefühl in der Brust, Atemnot, Schwitzen, Zittern, Schwindel oder Übelkeit. Auch Kribbeln oder Taubheitsgefühle in Händen und Füßen können auftreten.
Diese Symptome ähneln mitunter denen eines Herzinfarkts. Wenn die betroffene Person noch nie eine Panikattacke hatte und selbst nicht sicher ist, was passiert, sollten Sie wie bei einem körperlichen Notfall vorgehen und den Notruf 112 wählen.
Weitere Handlungsempfehlungen sind:
- Versuchen Sie, selbst ruhig zu bleiben. Machen Sie sich bewusst: Die Symptome sind zwar belastend, aber in der Regel ungefährlich und gehen vorüber. Dies zu benennen, kann bereits Erleichterung bei der betroffenen Person schaffen.
- Suchen Sie den Kontakt, bauen Sie ein Gespräch auf, sprechen Sie ruhig, offen und mitfühlend. Durch zwischenmenschlichen Kontakt entspannt sich nach einer gewissen Zeit meist das Nervensystem, Betroffene fühlen sich ruhiger und finden langsam wieder zu sich.
- Da Betroffene solche Panikattacken meist kennen, macht es Sinn, zu fragen, ob so etwas schon einmal erlebt wurde und was damals geholfen hat.
- Bleiben Sie geduldig. Wiederholen Sie Fragen und sprechen in kurzen Sätzen. Halten Sie das Gespräch aufrecht. Dies lenkt auch von den körperlichen Symptomen ab.
Wenn die Panikattacke vorbei ist, fragen Sie, ob die Person noch Unterstützung braucht und klären Sie, ob sie weiter gut durch den Tag kommt. Ggf. ermutigen Sie die Person, nahestehende Vertraute zu kontaktieren und für den weiteren Verlauf des Tages ein Treffen oder ein Gespräch zu vereinbaren.
Unterstützung von Betroffenen im Alltag
Einen nahestehenden Menschen leiden zu sehen, ist schwer.
Wichtig ist, dass Sie sich von Anfang an bewusst machen, helfen zu können, aber nicht die Verantwortung für dessen Wohlergehen tragen. Problematisch wird es, wenn Betroffenen unbewusst ihre Eigenverantwortung abgesprochen wird. Nur wer eigene Schritte geht, selbst Probleme löst und entsprechende Erkenntnisse sammelt, kann dauerhaft etwas verändern.
Zeigen Sie Verständnis für die Situation und Gefühle der betroffenen Person. Nehmen Sie die Erkrankung und geschilderten Symptome ernst – auch wenn Sie sie nicht immer nachvollziehen können.
Aktives Zuhören, Nachfragen und echtes Interesse, ohne zu dramatisieren, sind wichtige Türöffner. Machen Sie deutlich, dass es Hilfe gibt und dass professionelle Unterstützung Beschwerden lindern oder beheben kann. Unterstützen Sie die betroffene Person darin, sich professionelle Hilfe zu suchen. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist ein wesentlicher Stützpfeil auf dem Weg zur Besserung bzw. Genesung.
Viele Betroffene haben große Angst, als „verrückt“ zu gelten oder abgelehnt zu werden. Machen Sie klar, dass diese Befürchtungen unbegründet sind. Vielleicht kennen Sie Beispiele von Menschen, die durch eine Behandlung positive Veränderungen erlebt haben.
Wenn Sie ausreichend Zeit und emotionale Kapazität haben, bieten Sie praktische Hilfe im Alltag an: ein Spaziergang im Grünen, ein gemeinsamer Einkauf, ein Gespräch bei einer gemütlichen Tasse Tee oder andere wohltuende, vielleicht auch ablenkende Maßnahmen wie gemeinsam Sport machen oder ein Kinobesuch.
Nehmen Sie Zurückweisungen nicht persönlich. Oft ist es die Erkrankung selbst, die Rückzug verstärkt und es Betroffenen schwer macht, wieder einen Schritt ins Außen zu machen. Bleiben Sie mit Akzeptanz und Mitgefühl im Kontakt, auch wenn Hilfsangebote abgelehnt werden. Fragen Sie lieber, was der Person guttun würde oder wobei sie Unterstützung erhalten möchte.
Vermeiden Sie Ratschläge oder verharmlosende Sätze wie „So schlimm ist es doch nicht.“ Solche Aussagen können das Gefühl vermitteln, dass die eigenen Empfindungen nicht ernst genommen und heruntergespielt werden. Anders ausgedrückt kann die Person so das Gefühl bekommen, ihre Wahrnehmung und Gefühle seien nicht wahr. Dies ist jedoch im Erleben der/des Betroffenen nicht richtig. Genau hier ist es wichtig, mit therapeutischer Unterstützung anzusetzen.
Bieten Sie Hilfe an, indem Sie nach gemeinsamen Aktivitäten fragen. Erkundigen Sie sich, worauf die betroffene Person Lust hat, und machen Sie ein bis zwei eigene Vorschläge. Manchmal kann es hilfreich sein, lange aufgeschobene Vorhaben (z. B. Sportkurs, kreatives Projekt) gemeinsam anzugehen, wenn innere Hemmungen überwunden werden müssen.
Bleiben Sie feinfühlig für die Bedürfnisse und Grenzen der betroffenen Person. Drängen Sie sich nicht auf. Dies verstärkt meist nur den Widerstand und kann zu Rückzug führen. An erster Stelle sollte immer die Frage stehen:
„Was hilft dir?“ oder „Was kannst du gerade gebrauchen?“
Es kann Sinn machen, das soziale Umfeld einzubinden und so ein Netzwerk zu spannen. Fragen Sie, ob die Person möchte, dass auch andere Angehörige oder Freund*innen eingebunden werden, und bieten Sie Unterstützung bei der Kontaktaufnahme an.
Wichtig: Handeln Sie nie ohne Wissen oder Einverständnis der betroffenen Person.
Eigenmächtige Schritte, auch wenn sie gut gemeint sind, können Vertrauen zerstören und künftige Hilfe erschweren bis hin zu unmöglich machen.
Wenn der oder die Betroffene nach einem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik oder Rehabilitationseinrichtung nach Hause kehrt, ist die Genesung meist noch nicht vollständig abgeschlossen. Ziel der stationären Behandlung ist es, den Patienten oder die Patientin so weit zu stabilisieren, dass der Alltag wieder bewältigt werden kann.
Fragen Sie nach, welche Unterstützung gewünscht ist. Dabei ist es wichtig, nicht zu drängen oder zu bohren, sondern einfühlsam und geduldig zu bleiben. Die Zeit in einer Klinik ist intensiv und die Person benötigt erst einmal etwas Zeit, um wieder im Alltag anzukommen.
Angebote, um den Alltag zu strukturieren, wie z. B. ein Treffen zum Spaziergang, ein Telefonat oder ein gemeinsames Essen können dabei sehr hilfreich sein. Sie schaffen Verlässlichkeit und soziale Nähe, ohne zu überfordern.
Langfristig ist es wichtig, dass die Person ambulant psychotherapeutisch weiterversorgt wird. Das kann im Rahmen einer Einzel- oder einer Gruppentherapie erfolgen. Selbsthilfegruppen sind eine weitere wichtige Möglichkeit der Unterstützung, die den Austausch mit anderen Betroffenen fördern – auch in Ergänzung zu einer Psychotherapie. Falls der oder die Betroffene es wünscht, können Sie sich gemeinsam von den behandelnden Ärz:tinnen und Therapeut:innen beraten lassen.
Eine geeignete Anschlussversorgung nach einem stationären Aufenthalt ist von zentraler Bedeutung, da ansonsten die Gefahr eines Rückfalls in alte Verhaltensmuster sehr hoch ist.
Falls es dazu kommt, dass die behandelnden Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen Sie zu einem Paar- oder Familiengespräch einladen, geht es nicht darum, Schuld zu verteilen. Ziel ist es stattdessen, die Situation, die Belastungen und die Dynamik aller Beteiligten besser zu verstehen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten.
Diese Gespräche schaffen einen geschützten Raum, in dem auch bislang Unausgesprochenes offen und konstruktiv angesprochen werden kann. Oft werden dabei erstmals die tieferliegenden Bedürfnisse aller Beteiligten sichtbar, wodurch bereits ein weiterer wesentlicher Schritt in Richtung Lösung geschieht.
Es kann schwer sein, Zugang zu einem Menschen zu finden, dem es psychisch schlecht geht. Mit einfachen, offenen Fragen können Sie jedoch die ersten Schritte tun und ein Gespräch behutsam eröffnen, zum Beispiel:
“In letzter Zeit mache ich mir Sorgen um dich. Ist alles in Ordnung?”
“Ich habe bei dir einige Veränderungen wahrgenommen. Deshalb wollte ich einfach mal nachfragen, wie es dir geht?”
“Ich mache mir Gedanken um dich, weil du in letzter Zeit sehr traurig wirkst.”
Wichtig ist es, nicht zu bedrängen, sondern Verständnis zu zeigen und Unterstützung anzubieten:
“Seit wann geht es dir schlecht(er)?”
“Wie hat das angefangen, was waren die Auslöser?”
“Wie kann ich dich unterstützen?”
“Was brauchst du von mir?”
Ziel ist es zunächst, zuzuhören – nicht zu bewerten oder zu deuten. Es geht darum, die Situation zu erfassen und Mitgefühl zu zeigen. Ermutigen Sie die Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, und bieten Sie – wenn möglich – Ihre Unterstützung an, etwa beim Kontakt zu Therapeut:innen, Ärzt:innen oder geeigneten Anlaufstellen.
Wenn eine betroffene Person Hilfe ablehnt, ist das zunächst zu akzeptieren. Niemandem kann ohne dessen Einverständnis geholfen werden, ausgenommen in Fällen der Selbst- und Fremdgefährdung.
Bleiben Sie im Gespräch und halten Sie den Kontakt aufrecht. Eine offene, wertschätzende Kommunikation ist entscheidend. Benennen Sie Ihre Beobachtungen und Sorgen in angemessenem Rahmen und machen Sie deutlich, dass Sie die Selbstbestimmung der betroffenen Person anerkennen.
Gerade bei Depressionen kommt es häufig zu Motivationstiefs und Rückzug. Begleiten Sie diese Phase geduldig und einfühlsam. Oft wenden sich Betroffene wieder an ihr Umfeld, sobald sie sich bereit fühlen.
Auch Ihre eigene Belastung verdient Aufmerksamkeit: Um mit Schuldgefühlen, aber auch Ärger, funktional umgehen zu können, empfiehlt sich das Nutzen von passenden Hilfsangeboten. Holen Sie sich selbst Unterstützung, zum Beispiel durch den Familiencoach Depression (https://depression.aok.de/), das Diskussionsforum Depression (https://www.diskussionsforum-depression.de/) oder professionelle psychologische Begleitung. Der Austausch mit anderen betroffenen Angehörigen hilft, die eigenen schwierigen Gefühle zu verarbeiten, entlastet emotional und stärkt Ihre Beziehung zur betroffenen Person – das Aufrechterhalten der Beziehung, in der Sie unterstützen können, fällt Ihnen leichter.
Professionelle Hilfe & Behandlung
Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige psychotherapeutische Unterstützung benötigt oder andere Hilfen sinnvoll wären, wenden Sie sich zunächst an einen Facharzt oder eine Fachärztin. In der Regel sind dies Psychiater und Psychiaterinnen, teils auch Neurologen oder Neurologinnen, je nachdem, wie breit diese aufgestellt sind. Diese führen eine sorgfältige Diagnostik durch und können über passende Behandlungsmöglichkeiten beraten. In der Regel kennen sie das mögliche therapeutische Netzwerk und können zielgenau beraten. Einen Termin erhalten Sie über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung, online unter https://www.116117-termine.de/ oder telefonisch unter der bundesweiten Rufnummer 116 117.
Die Suche nach dem „richtigen“ Therapeuten oder der „richtigen“ Therapeutin kann herausfordernd sein. Zum einen gibt es häufig Wartezeiten oder nur wenige freie Termine, zum anderen muss die persönliche Passung stimmen, damit die Therapie wirken kann. Wichtig ist, dass Sie sich von anfänglichen Absagen oder Fehlschlägen nicht entmutigen lassen.
Tipp: Rufen Sie vor Beginn der Suche die Krankenkasse des oder der Betroffenen an und erkundigen sich nach möglichen Auflistungen freier Psychotherapeut:innen in der Nähe sowie nach der Möglichkeit, über das sogenannte Kostenerstattungsverfahren abrechnen zu können. Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten auch bei approbierten Therapeut:innen ohne Kassensitz, wenn nachweislich mehrere Anfragen erfolglos waren.
Auch eine Poliklinik für psychische Erkrankungen oder die psychiatrische Ambulanz eines Krankenhauses können erste Anlaufstellen für Sie sein. Daneben gibt es psychologische Beratungsstellen, die Sie aufsuchen können. Wenn Ihnen die „anonyme“ Suche über das Internet lieber ist, dann können Ihnen die Suchdienste der Berufsgruppen und Fachverbände weiterhelfen. Weiterhin gibt es die Webseite www.therapie.de, auf der Sie unter Angabe bestimmter Suchkriterien Psychotherapeut:innen in Wohnortnähe finden können, die sich hier registriert haben. Die Liste ist nicht immer vollständig, weshalb weitere Such- und Recherchewege sinnvoll sein können.
Zur Überbrückung von Wartezeiten eignen sich die Online-Therapieprogramme von Novego sehr gut. Hier kann sich die betroffene Person schon einmal mit den Hintergründen von Angst- und Depressionserkrankungen auseinandersetzen und wirksame Strategien zur Linderung von Symptomen und Krisenbewältigung erlernen.
Welche Behandlung für eine betroffene Person geeignet ist, hängt von Diagnose, Schweregrad, Krankheitsverlauf und persönlichen Bedürfnissen und Wünschen ab. Wichtig ist, dass die Entscheidung gemeinsam mit einem Arzt oder einer Ärztin bzw. einem Psychotherapeuten oder getroffen wird. Dabei sollten Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren sorgfältig abgewogen werden.
Ziel jeder Behandlung ist es, die Symptome so weit zu lindern, dass Betroffene ihr seelisches Gleichgewicht wiederfinden und ihren Alltag – beruflich wie privat – wieder mit Freude und Zuversicht gestalten können. Anders gesagt, in der Lage sind, ein ausgefülltes, zufriedenstellendes Leben zu führen. Gleichzeitig soll die Therapie helfen, Rückfälle oder erneute Erkrankungen zu vermeiden bzw. das Risiko so gering wie möglich zu halten und langfristig Stabilität aufzubauen.
Mehr Informationen zu den verschiedenen Therapieformen finden Sie hier auf der Website im Bereich „Therapieformen“.
Selbsthilfe bedeutet, Eigeninitiative zu zeigen und Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen, um bestimmte Probleme im Rahmen der persönlichen Lebenssituation lösen zu können. Der Wunsch nach Veränderung ist die wichtigste Voraussetzung, um aktiv etwas für die eigene seelische Gesundheit zu tun und die Grundlage für jegliche Selbsthilfe.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der Selbsthilfe, die Betroffenen und deren Angehörigen Unterstützung bieten können, zum Beispiel:
- Selbsthilfegruppen, in denen Erfahrungsaustausch und gegenseitige Ermutigung stattfinden
- Online-Therapieprogramme wie Novego, die psychologisch fundierte Übungen und Impulse zur Selbsthilfe vermitteln.
Mehr Informationen finden Sie hier auf der Website im Bereich „Selbsthilfe“.
Eigene Belastung & Selbstfürsorge
Psychische Erkrankungen belasten nicht nur die Betroffenen, sondern auch ihr Umfeld – Partnerschaft, Familie und Freundschaften. Als Angehöriger oder Angehörige sind Sie in einer schwierigen Situation: Sie möchten helfen und benötigen gleichzeitig vielleicht selbst Unterstützung.
Wenn ein Mensch, der Ihnen nahesteht, psychisch erkrankt ist, verzichten viele Angehörige auf Dinge, die ihnen guttun, etwa Hobbys, Sport, soziale Kontakte oder Kultur. Es mag Ihnen egoistisch erscheinen, dass Sie sich vergnügen oder etwas Schönes unternehmen, während der andere leidet. Doch damit ist dem Betroffenen nicht geholfen. Nur wenn Sie auf sich selbst achten, bleiben Sie handlungsfähig und können langfristig unterstützen.
Der Umgang mit einer schweren oder chronischen Erkrankung ist eine Herausforderung, auch für Angehörige. Scheuen Sie sich nicht, selbst Unterstützung in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel durch psychotherapeutische Begleitung oder eine Selbsthilfegruppe für Angehörige. Wer hilft, sollte sich zugestehen, auch selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen, um nicht auszubrennen. Alles, was Sie entlastet, hilft letztlich auch der betroffenen Person.
Wenn Sie eine Einschätzung möchten, wie stark Sie selbst belastet sind und welche Hilfe für Sie passt, wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Ihre Ärztin. Hilfreiche Anlaufstellen sind unter anderem:
- Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK e. V.) – bietet über das SeeleFon anonyme und kostenlose Beratung für belastete Angehörige an. Informationen und Erreichbarkeiten finden Sie unter https://www.bapk.de/angebote/seelefon.html.
- Kassenärztliche Vereinigung (Telefon 116 117) – vermittelt Termine für Akutsprechstunden bei Psychotherapeut:innen.
- Online-Praxis mindu (www.mindu.de) – ermöglicht kurzfristige Video-Sprechstunden mit Fachärzt:innen oder Psychotherapeut:innen sowie eine Online-Psychotherapie (für Selbstzahlende oder Privatversicherte).
Es ist völlig normal, dass Sie sich als begleitende Person unsicher, vielleicht sogar erschöpft oder überfordert fühlen. Der erste wichtige Schritt ist es, dies anzuerkennen und aktiv nach Hilfe zu suchen.
Auch Sie haben die Möglichkeit, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Über die Telefonnummer 116 117 der kassenärztlichen Vereinigung können Sie zeitnah einen Gesprächstermin bei einem nahegelegenen Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin zu vereinbaren.
Zusätzlich oder als Alternative kann der psychologische Onlinekurs zur Stressprävention RELAX von Novego eine wirksame Unterstützung sein. Das Selbsthilfeprogramm unterstützt Sie dabei, Stress zu reduzieren und langfristig vorzubeugen. Ihre Krankenkasse übernimmt bis zu 100 % der Kosten.
Grundsätzlich gilt, dass Sie immer das Recht haben, nein zu sagen. Selbst in akuten Krisen. Das dürfen und müssen sich viele Menschen immer wieder in Erinnerung rufen, da es in der Regel sehr schwerfällt. Dabei wird Selbstschutz oft mit Egoismus verwechselt. Sich selbst abzugrenzen, da gewisse Themen oder Aufgaben zu viel Stress verursachen, ist völlig in Ordnung, normal und hat mit gesunder Selbsteinschätzung, statt mit Egoismus zu tun. Die eigenen Kapazitäten angemessen einzuschätzen, zeigt Verantwortungsbewusstsein, für sich selbst aber auch für die Umwelt.
Nichtsdestotrotz kommen oft Schuldgefühle auf. Dann geht es darum, einen adäquaten Umgang damit zu finden, ohne sich durch die Schuldgefühle zu Hilfestellungen getrieben zu fühlen, für die man eigentlich (augenblicklich) nicht bereit ist. Dabei ist der Austausch mit anderen Betroffenen, wie es in Selbsthilfegruppen beispielsweise möglich ist, sehr unterstützend. Für manche Menschen ist auch eigene therapeutische Unterstützung das richtige Hilfsmittel zur nachhaltigen Entlastung.
Wenn Sie in der Situation sind, sich für die Unterstützung einer erkrankten, ihnen nahestehenden Person nicht bereit oder stabil genug zu fühlen oder einfach nicht die zeitlichen Kapazitäten haben, ist ein Weg die Hilfe zur Selbsthilfe. Sie können beispielweise an professionelle Hilfsangebote, etwa Krisendienste, Beratungsstellen, etc., verweisen. Gemeinsame Recherchen nach passenden Anlaufstellen können eine Entlastung für beide Seiten sein.
Sofern die betroffene Person einen Pflegegrad hat (ab Stufe 2), können Angehörige des Pflegebedürftigen Leistungen wie Pflegegeld oder Pflegesachleistungen über die Pflegekasse beantragen. Der Bezug von Pflegegeld ist möglich, sofern die häusliche Pflege durch Angehörige oder andere ehrenamtliche Helfer sichergestellt wird. Der Pflegegrad bestimmt die Höhe des Pflegegeldes.
Die Krankenkasse kann die Kosten für eine Haushaltshilfe unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen. Die Kostenübernahme erfolgt im Rahmen eines bestimmten Betrags und für eine bestimmte Gesamtstundenzahl. Zur Beantragung ist u.a. eine ärztliche Bescheinigung erforderlich.
Auch bieten die Pflegekassen Kurse für pflegende Angehörige an, die dabei helfen, die eigenen (Belastungs-)Grenzen zu wahren und durch Förderung der Selbstfürsorge psychische und physische Einbußen zu vermeiden.
Eine weitere wichtige und hilfreiche Anlaufstelle für Angehörige ist der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (BApK, https://www.bapk.de/der-bapk.html). Hier wird rund um das Thema Hilfe und Umgang mit psychischen Erkrankungen von Angehörigen informiert und unterstützt.
Der Sozialpsychiatrische Dienst des jeweils zuständigen Bundeslandes kann ebenso wie die eigene Krankenkasse als Beratungs- und Versorgungsstelle genutzt werden.
Bewegung ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, akuten Stress abzubauen. Sport und bewusste körperliche Aktivität senken Stresshormone und fördern gleichzeitig die Ausschüttung von Glücks- und Wohlfühlhormonen. Schon ein Spaziergang im Grünen oder im Wald kann spürbar entlasten.
Achten Sie darauf, nach belastenden Kontakten bewusst Zeit für sich selbst einzuplanen. Oft neigen wir dazu, Selbstfürsorge zu vernachlässigen, bis sich erste körperliche oder seelische Erschöpfungszeichen zeigen. Um sich selbst zu entlasten, sind sowohl Gespräche mit anderen betroffenen Angehörigen (z. B. in einer Selbsthilfegruppe) sinnvoll, wie auch das regelmäßige Anwenden von Entspannungsverfahren z. B. durch Yoga, Meditation oder reine Atemübungen. Derartige Angebote werden auch von Krankenkassen bereitgestellt bzw. unter bestimmten Bedingungen finanziell unterstützt (sogenannte Präventionskurse). Erkundigen Sie sich gezielt nach entsprechenden Kursen in Ihrer Region.
Für manche Menschen erweisen sich kleine Rituale der Selbstfürsorge und Selbstzuwendung als nachhaltig unterstützend und stabilisierend. Diese können ganz unterschiedlich aussehen und beispielsweise eine Tasse Tee nach einem Spaziergang durch den Wald beinhalten, das Hören wohltuender Musik während einer Handarbeit, eine beliebte Joggingrunde im Park mit der Lieblingsplaylist im Ohr oder ein Besuch im Fitnessstudio mit einem Freund oder einer Freundin.
Krankheitsbilder verstehen
Phasen von Freudlosigkeit, Unlust oder Erschöpfung kennt fast jeder Mensch. Doch eine Depression im medizinischen Sinn ist mehr als eine alltägliche, vorübergehende Stimmungsschwankung.
Eine Depression wird diagnostiziert, wenn Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, negative Gedanken oder Hoffnungslosigkeit über längere Zeit bestehen und die Betroffenen sich nicht selbst daraus befreien können. In schweren Fällen können auch Selbstmordgedanken bis hin zu Selbstmordversuchen auftreten.
Depressionen beeinflussen das Denken, Fühlen und Handeln, können aber zusätzlich auch Störungen von Hirn- und Körperfunktionen bewirken. Sie sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die psychotherapeutische und – je nach Schweregrad – auch medikamentöse Behandlung erfordert.
Ausführliche Hintergrundinformationen zum Krankheitsbild Depression haben wir für Sie hier zusammengefasst.
Nein – niemand trägt Schuld an seiner Depression. Die Ursachen einer Depression sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren zusammenwirken, wenn eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung entstehen – ähnlich wie dies auch bei vielen körperlichen Erkrankungen der Fall ist.
Die Depression ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche. Dennoch wird sie oft nicht erkannt: Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus dem Jahre 2010 bleiben rund die Hälfte aller Depressionen unerkannt, weil Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung keine ärztliche Hilfe suchen und sie die Furcht vor der Diagnose hemmt. An einer psychischen Erkrankung zu leiden, wird häufig als Makel empfunden. Scham und Selbstvorwürfe gehören selbst zu den typischen Symptomen der Erkrankung – sie verstärken das Gefühl des Versagens und schwächen das Selbstvertrauen weiter.
Eine psychische Erkrankung ist kein persönliches Verschulden und kein Grund für Scham. Entscheidend ist, sie zu erkennen und rechtzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um den Weg zur Besserung einzuleiten.
Für Außenstehende ist es oft schwer nachzuvollziehen, wie sich eine Depression anfühlt und warum es der betroffenen Person so schlecht geht. Anders als bei körperlichen Erkrankungen, etwa einem gebrochenen Arm, ist eine Depression nicht sichtbar. Dennoch verursacht sie tiefgreifendes seelisches Leid, das Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst.
Ein anschauliches Beispiel bietet dieses Video:
Es beschreibt eindrücklich, was in einem Menschen während einer Depression vorgeht – und wie sich das Leben mit dieser Erkrankung anfühlen kann.
Als begleitende Person kann es sehr hilfreich sein, mehr über die jeweilige psychische Erkrankung zu erfahren. Wissen schafft Verständnis – besonders in schwierigen oder herausfordernden Situationen, in denen Sie die Reaktionen der betroffenen Person besser einordnen möchten.
Auf unserer Website finden Sie umfassende Informationen zu verschiedenen Krankheitsbildern wie Depression, Angst, Schlafproblemen, Burnout oder Stress. Hier erklären wir, wie diese Erkrankungen entstehen, welche Symptome typisch sind und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.
Weitere Informationen finden Sie im Bereich „Psyche verstehen“.
Was bedeutet Familie für Sie?
Für viele Menschen hat Familie mit Liebe und Unterstützung zu tun. Eine Familie kann ein sicheres Umfeld bieten, in dem man sich selbst verwirklichen und wachsen kann.